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Gerichtsreportagen


Die letzte Baustelle - Mordfall Sodenkamp


von Barbara Keller

12.2.2010, Berliner Landgericht, 40. gr. SK
Die 40. große Strafkammer unter Vorsitz von Richterin Gabriele Strobel verurteilte heute den Bauunternehmer Vito Le. (47) und Bauleiter Benjamin Lu. (32) wegen Anstiftung zum Mord zu lebenslangen Haftstrafen. Die Verurteilten sollen die Tötung des Immobilienmanagers Friedhelm Sodenkamp (59) in Auftrag gegeben, ein polnischer Söldner die Tat am 3. November 2008 umgesetzt haben. (berlinkriminell.de berichtete) Die Verurteilten erklären sich für unschuldig und gehen in Revision.
Verfahren gegen Adam M. (11.6.2012)

"Ich bin für den Mord nicht verantwortlich", sagt Benjamin Lu. im Anschluss des Plädoyers seines Rechtsanwaltes in einem letzten Wort. Und Vito Le.: "Ich hatte kein Motiv für einen Mord. Ich habe keinen Mord in Auftrag gegeben." Dennoch ist der Mann, dessen gewaltsames Ableben die Angeklagten angeblich nicht wünschten, jetzt tot. Friedhelm Sodenkamp wurde am am frühen Abend des 3. November 2008 auf der Fischerinsel während seines Spaziergangs mit seinem Weimaraner Hund Max planhaft mit drei Schüssen hingerichtet.

Lediglich einen Denkzettel habe man dem unbequemen Mann verpassen wollen, der ihnen das Geschäft verdarb, sie bei ihrem Hauptauftraggeber, der dänischen TowerGroup, anschwärzte und so die Zahlung von Millionen blockierte. 'Ins Koma prügeln', 'krankenhausreif schlagen' lassen wollten sie Friedhelm Sodenkamp, ihn ein halbes Jahr von der Bildfläche schaffen.

Doch dann sei alles aus dem Ruder gelaufen. Der Auftragnehmer, Adam M., ein polnischer Söldner, hätte den Auftrag selbständig in einen Mordauftrag umgewidmet und in die Tat umgesetzt. So verteidigen sich die Angeklagten. Doch die 40. große Strafkammer des Berliner Landgerichts folgte in seinem Urteil am 12. Februar 2010 den hartnäckig und teils redundant vorgetragenen Argumenten der Verteidigung nicht.

Alles oder nichts

Richterin Strobel führte in der Urteilsbegründung aus, in diesem sich seit sechs Monaten hinziehenden Verfahren habe die Verteidigung mit 'Esprit' und 'Engagement' gekämpft, Zweifel an der Schuld der Angeklagten zu wecken. Die Strafkammer folge jedoch nicht ihrer Argumentation.

Mit Staatsanwalt Bernhard Gierse ist die Strafkammer überzeugt, dass Benjamin Lu. und Vito Le. den Tod ihres Kontrahenten gemeinsam planten und in Auftrag gaben. Als Alleinauftragnehmer der dänischen TowerGroup seien die Angeklagten, so die vorsitzende Richterin, mit ihrer bislang unbedeutenden GmbH 'auf eine Goldader gestoßen'. Plötzliche Einnahmen in Millionenhöhe hätten ihnen verheißen: "Wir werden reiche Menschen."

Als Friedhelm Sodenkamp, der als 'harter Hund' bekannt gewesen sei, ihnen mit der Prüfung der Aufträge auf die Pelle rückte, Unregelmäßigkeiten feststellte und diese Mitte August 2008 an die TowerGroup meldete, sei der Konkurrent zu einer ernstzunehmenden Gefahr mutiert. Die TowerGroup setzte die Zahlungen aus.

Der Supergau

Das sei der 'Supergau' gewesen. 3,5 Millionen Euro waren blockiert, während ihnen die Subunternehmer mit ihren Forderungen die Tür einrannten. Der Traum war aus und Friedhelm Sodenkamp die treibende Kraft der Misere. Im September 2008 hätten sich Benjamin Lu. und Vito Le. dann entschlossen, Sodenkamp ermorden zu lassen.

25.000 Euro bis 30.000 Euro flossen aus der Kasse des Bauunternehmers an den gedungenen Killer Adam M. Doch ein erster Mordversuch, ausgeführt mit einer Armbrust an einem Abend im Oktober 2008 scheiterte. Einen Monat darauf wird die Tat mit einer Beretta 34 (1934) final umgesetzt. Auch dieses Mal lauert der Mörder Sodenkamp auf dessen Spaziergang mit seinem Hund auf . Jetzt ist er erfolgreich.

Zweieinhalb Stunden nach der Tat informiert der Killer seinen Aufraggeber Vito Le. Der ruft zwei Minuten später seinen Kompagnon an: "Der Abriss ist erfolgt." Benjamin Lu., der sich gerade auf einer Bowlingbahn vergnügt, versteht nicht gleich. Vito Le. legt nach: "Na, die letzte Baustelle, die wir noch haben." Weiterer Verständigung bedarf es offenbar nicht.

Ein Foto des Mordopfers wird entsorgt und zur Tagesordnung übergegangen. Wäre nicht ein zwielichtige Bordellbesitzer, dem der Boden zu heiß wird und der schließlich zur Polizei geht, der Mord wäre wohl nie aufgeklärt worden. Rekai C., dem der Mörder Adam M. am Tatabend den Mord schildert und der ihm auch die Papiere zur Flucht beschafft, wird von diesem bedrängt und bedroht. Der nach Indien geflüchtete Adam M. fordert von ihm, aus seinen Auftraggebern noch mehr Geld herauspressen. Von 150.000 Euro ist die Rede.

Bordellgespräche

Am 6. Dezember 2008 geht der verängstigte Rekai C., der nur 6.500 Euro aus Vito Le. herauszuholen vermag, zur Polizei. Fünf Tage später wird Vito Le. festgenommen und als Beschuldigter vernommen.

Nach Ansicht der 40. großen Strafkammer reichen die Indizien zu einer Verurteilung der beiden Angeklagten aus. Darunter die Aussagen der drei Zeugen, gegenüber denen Adam M., der mutmaßliche Mörder, mit der Tat prahlte. "Die Angaben der beiden Angeklagten sind jedoch die wesentlichen Beweismittel", führte Strobel aus.

Die vorsitzende Richterin bedauerte, dass sich die Auslieferung von Adam M., den sie für den Mörder Sodenkamps hält, aus Indien noch immer in die Länge zieht. Sie wies aber den Vorwürfe der Verteidigung zurück, die Kammer hätte sich mit den von der Verteidigung vorgetragenen Alternativszenarien nicht eingehend beschäftigt und die Staatsanwaltschaft die Auslieferung des Adam M. nicht mit genug Verve betrieben.

Sie haben Nerven!

"Sie haben Nerven", erklärte dagegen Rechtsanwalt Hubert Dreyling in seinem Plädoyer gegenüber Staatsanwalt Gierse, "bei dieser Beweislage ein Lebenslang zu fordern!" Er forderte für seinen Mandanten Benjamin Lu. Freispruch und griff den Kläger als auch die Kammer mit dem Vorwurf an, der Mord sei nicht ausreichend ausermittelt worden.

Eine Fülle von Gegenindizien sei außer acht gelassen worden. Darunter eine zehn Meter lange Blutspur am Tatort, die nicht Adam M. zugeordnet werden konnte, ein unauffindbares, drittes Projektil und das ominöse, kriminelle Umfeld von Adam M. in indisch Goa. "Wer erschoss Sodenkamp?", deklamierte Verteidiger Dreyling und erklärte: "Ich glaube nicht mehr, dass Adam M. der Schütze war." Die Verteidigung beider Angeklagten wird in die Revision gehen.

* auf den Fotos: oben Bauunternehmer Benjamin Lu., darunter der ehemalige Bauleiter Vito Le.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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