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Gerichtsreportagen


Das bricht Benny den Hals


von Barbara Keller

40. gr. Strafkammer , 23.10.2009
Im Mordfall Sodenkamp ('berlinkriminell.de' berichtete), der seit Mitte Juli vor dem Berliner Landgericht verhandelt wird, zeichnet sich, anders als zunächst erwartet, kein Ende ab. Dafür geht es beachtlich turbulent zu. Am letzten Tag der Hauptverhandlung erklärte ein ehemaliger Freund des Angeklagten Benjamin Lu. überraschend: "Ich will reinen Tisch machen." Mit seinen Aussagen, die im Grundtenor die Anklage bestätigen, belastet der Zeuge die Angeklagten und damit seinen langjährigen Freund Benjamin Lu. schwer. Die Verteidigung dagegen präsentiert einen mutmaßlichen Mordanstifter namens N.N. und brilliert mit weiteren Beweisanträgen.
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Oliver W. (38) kann es nicht mehr hören. 'Der arme Benny'. Der 'arme Benny' (Benjamin Lu.) hat ihm im Mai 2009 aus der Haft heraus die Freundschaft gekündigt. Der Rohrleger, der nach der Verhaftung des jetzt Angeklagten paritätisch mit Viviane G. als Geschäftsführer für das Bauunternehmen fungierte, ist sauer und enttäuscht über 'Benny', mit dem ihn eine 14-jährige Freundschaft verbindet und mit dem er jetzt nur noch die Querelen einer traurigen Insolvenz teilt.

Jeden Morgen wacht Oliver W. mit Wut im Bauch auf. Als erstes muss er denken: "Dieses Arschloch!" Nun hat sich Oliver W. entschlossen 'auszupacken'. Auch wenn er zunächst um seine leibliche Gesundheit fürchtete und dass er vielleicht 'mit dem Auto hochgehen könnte'. Auch diese Nacht hat er kein Auge zugemacht. Denn Oliver W. glaubt zu wissen, dass sein ehemalige Freund und Arbeitgeber den Tod des am 3. November letzten Jahres auf der Fischerinsel mit drei Schüssen hingerichteten Immobilienmanagers Friedhelm Sodenkamp in Auftrag gab.

Zweimal teilte Oliver W. mit dem heute Angeklagten Benjamin W. ('Benny') die Wohnung, zuerst in Steglitz. Bei der Firma Will GmbH galt Oliver W. als 'Mädchen für alles' und war, bevor er Geschäftsführer wurde, auf 400-Euro-Basis beschäftigt. Das war, nachdem sein Freund nach einer Art Betriebsausflug nach Jamaika im Dezember 2008 verhaftet wurde.

Zweimal hatte Oliver W. anders lautende Aussagen gemacht und sich schützend vor Benjamin Lu. gestellt. Nun 'will und kann' er nicht mehr, sagt er. Auffallend emotionslos schildert Oliver W. am letzten Verhandlungstag, wie er im Herbst 2008 am Schreibtisch der Firma saß, als 'Benny' ihm anlässlich eines Gesprächs über das spätere Mordopfer Sodenkamp hingeworfen haben soll: "Lass mal, der wird umgebracht."

Da hatte sich Oliver W. jedoch noch keine ernsthaften Gedanken gemacht. Erst später will er 'Eins und Eins zusammengezählt' haben. Beispielsweise, als 'Benny' ihm am Tatabend des 3. November 2008 auf der Bowlingbahn mitteilte, dass Sodenkamp nicht mehr lebe und ihn dazu veranlasst habe, das Foto des Ermordeten aus seinem Auto zu holen und zu entsorgen. Das tat Oliver W. nach eigenen Angaben auch. Er zerschnitt das Bild, das dem Auftragsmörder zur Identifizierung des Opfers dienen sollte und verbrannte es später, wie er sagt, auf einer Schaufel mit dem Schneidbrenner. Aus Freundschaft, um 'Benny' zu schützen.

Als sich 'Benny' die 10.000,- Euro von einem Bekannten in Steglitz für den Auftragsmörder lieh, war der Zeuge Oliver W. ebenfalls dabei, sagt er. Sein Freund habe ihn damals dazu angehalten, die Scheine nicht anzufassen 'wegen der Fingerabdrücke'. Später in Jamaika, so der Zeuge, sah man fast täglich ins Internet, wie sich die Ermittlungen im Mordfall Sodenkamp anließen und war erleichtert, dass die Kripo in Richtung Russenmafia und Ruhrpott recherchierte.

In Jamaika soll 'Benny' auch in den Sand geschrieben haben, dass sein Partner, der heute mitangeklagte Vito Le., massive Probleme habe und erpresst würde. "Ich bin davon ausgegangen, dass der Sodenkampmord ein Gemeinschaftswerk von Vito und Benny war", sagt Oliver W.

Die Aussage von Oliver W. ist ein ziemliches Desaster für die Angeklagten, die den Ausführungen des Zeugen gebannt folgen. Und Benjamin Lu., der sich in einer Einlassung vom 9. Oktober von jeglicher Tatbeteiligung distanzierte und damit offenbar enormen Bluthochdruck bei dem mitangeklagten Vito Le. verursachte, hebt auch sofort zu einer Einlassung an.

Das Foto, das ohne weiteren Verwendungszweck im Auto lag, hieß es darin, habe der hier auftretende Zeuge Oliver W. aus eigenen Stücken geholt und zerschnitten. Als Benjamin Lu. mit hoher Stimmer weiter hervorsprudelte: "...dass der Vito Le. was gemacht hat und ich sollte das kontrollieren...", wobei es um das Telefonat am Mordabend des 3. November 2008 zwischen den heute Angeklagten ging, hätte man den Ausführungen des Angeklagten gern weiter gelauscht. Doch Rechtsanwalt Hubert Dreyling schnitt ihm rasch das Wort ab.

Bei der Vernehmung einer weiteren Zeugin kam es zu einem offenen Eklat zwischen den Rechtsanwälten der Angeklagten. Als Verteidiger Rüscher (für Vito Le.) zu der Demontage einer Zeugin ansetzte und damit die Verteidigungsstrategie von Rechtsanwalt Hubert Dreyling kreuzte, unterbrach die vorsitzende Richterin Gabriele Strobel das daraufhin ausbrechende, unsägliche Gezeter und Gebrüll mit einer Verhandlungspause.

Die Aussagen der Mütter beider Angeklagter sowie der den Angeklagten in der Will GmbH vertretenden Geschäftsführerin Viviane G. bestätigten vor allem die tiefen Risse, die durch die schwierige Abwicklung des Geschäfts in der Zwischenzeit entstanden sind. Dass Ressentiments die Aussagen der Zeugen färben, kann getrost angenommen werden.

Rechtsanwalt Rüscher (für Benjamin Lu.) hat nun in seinen Anträgen wiederholt die Auswertung der Handydaten sowie der Festplatte des Laptops des mutmaßlichen, derzeit in Indien inhaftierten Mörders Adam M. gefordert. Die Ergebnisse würden zeigen, so Rüscher, dass Adam M. im Februar 2009 tatsächlich mit Wadim G. telefonierte, von dem er weitere 150.000 Euro Honorar für den Mord an Sodenkamp forderte.

Wadim G., der im Auftrag der Angeklagten ursprünglich Sodenkamp lediglich 'eine Abreibung' verpassen sollte, habe in Wirklichkeit im Auftrag eines unbekannten Dritten gehandelt, der auch Adam M. unbekannt gewesen sei. "Nennen wir ihn N.N.", erklärte Rechtsanwalt Rüscher.

Darüber hinaus übergab Veronika Lu., die Mutter des Angeklagten Benjamin Lu., am 23. Oktober der Strafkammer den Mitschnitt eines Gespräches mit dem Zeugen Oliver W. Dieser soll sie wiederholt bedrängt und erpresst haben. "Wenn ich aussage, bekommt 'Benny' lebenslänglich", drohte er ihr.

Als man wegen der Firmenübernahme nicht einig geworden sei, soll Oliver W. erklärt haben: "Dann gehe ich eben in die Keithstraße." Was er in der Folge ja auch tat. Am 12.Oktober 2009 traf sich Veronika Lu. mit dem potentiellen Belastungszeugen zu einer Aussprache am Ku'damm und nahm das 38 Minuten dauernde Gespräch heimlich auf. Ob die Aufnahme juristischen Bedenken unterliegt oder verwendet werden darf, wird nun von der Strafkammer geprüft.

Am kommenden Verhandlungstag wird der Zeuge Oliver W. ein weiteres Mal gehört; dazu der Insolvenzverwalter des Bauunternehmens Will GmbH sowie ein weiterer türkischer Subunternehmer und Auftragnehmer derselben.


NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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