Ein Jahr lang, seit 1. Februar 2007, verhandelte die 2. Strafkammer des Berliner Landgerichts über drei Mitglieder der sogenannten "Panzerfaustbande", die im Januar und Februar 2006 zwei rabiate bewaffnete, misslungene Raubüberfälle auf Geldtransporter hinlegten.
Die Hauptverhandlung zog sich hin. Während sich Ex-Profiboxer Andreas M. (37), ehemaliger Deutscher Meister im Mittelgewicht, und Aziz G. (41) in Schweigen hüllten, legte Bademeister Michael K. (47) ein Teilgeständnis ab. Wegen Rückenproblemen des ehemaligen Leistungssportlers Andreas M., vertreten durch Rechtsanwältin Maya-Sylviane Plöger, muss die Hauptverhandlung immer wieder unterbrochen werden.
Am 23. August 2007 wird Andreas M., der in der Nacht zuvor auch wegen seiner Beschwerden ins Virchowklinikum gebracht wurde, an Händen und Füßen gefesselt auf einer Bahre auf dem Boden des Saales abgelegt. Später kommt auch die von ihm zwischenzeitlich in Anspruch genommene Urinflasche neben seinem Kopf zu stehen.
Die 2. große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Hans-Jürgen B. beabsichtigt, in dieser Form die Hauptverhandlung fortzusetzen. Hierüber kommt es zwischen Strafkammer und Rechtsanwälten zum Eklat. Schließlich wirft Hans-Rainer Elfferding der sich zur Beratung zurückziehenden Strafkammer das umstrittene "Scheiß Nazipack" hinterher.
Am 8. Augst 2008 muss sich Hans-Rainer Elfferding, vertreten durch den Hamburger Rechtsanwalt Reinhardt, vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Beleidigung vor Gericht verantworten.
In seiner ausführlichen Einlassung räumt Rechtsanwalt Hans-Rainer Elfferding den ihm gemachten Vorwurf voll ein. Er erinnere sich zwar nicht mehr, ob er "Scheiß Nazipack" gesagt habe, auf jeden Fall aber "Nazipack". Und er ergänzt: "Ich stehe dazu. Ich halte das immer noch für richtig."
Nachdem der vorsitzende Richter Hans-Jürgen B., den er übrigens bislang sehr schätzte, die zutiefst demütigende Lage des Angeklagten nicht habe bessern wollen, habe Rechtsanwalt Elfferding die Strafkammer zunächst ermahnt: "Wehret den Anfängen!" um dann eine Beleidigung anzukündigen: "Ich werde Sie zwingen, mich anzuzeigen, um Sie als Zeugen vor Gericht zu haben."
Den in Dingen Holocaust hoch sensibilisierten Rechtsanwalt Elfferdinger erinnerte nach eigenen Angaben die Erniedrigung des Angeklagten Andreas M. an das
Bild des alten, abgemagerten Generalfeldmarschall von Witzleben im Schauprozess des Volksgerichtshofes vom 8. August 1944.
Dem sich während seiner Erklärung die rutschende Hose haltenden Angeklagten hatte der Präsident Roland Freisler damals süffisant angeherrscht: "Was fassen Sie sich dauernd an die Hose, Sie schmutziger, alter Mann."
Schließlich, so Rechtsanwalt Elfferding, sei die Situation am Prozesstag des 23. August 2007 nicht mehr auszuhalten gewesen. In der Hoffnung, Richter Hans-Jürgen B. als Zeugen vor Gericht zu bekommen, um ihn zu einer Rechtsfertigung zu zwingen, beleidigt er ihn mit "Nazipack". Anders bekomme man einen deutschen Richter offenbar nicht vor Gericht.
Doch zu einer solchen Zeugenaussage kommt es 8. Oktober 2008 nicht. Sie ist auch nicht mehr nötig. Das Geständnis ist da, die Plädoyers folgen. 15 Tagessätze á 70 Euro fordert Staatsanwalt Sjors Kamstra. Eine 'ganz normale Beleidigung', eine Formalbeleidigung, läge vor, zumal Rechtsanwalt Elfferding nicht für einen eigenen Mandanten gesprochen habe.
Der Hamburger Rechtsanwalt Reinhardt forderte in seinem Plädoyer dagegen für seinen Mandanten und Kollegen Elfferding einen Freispruch. Schließlich habe eine Menschenrechtsverletzung vorgelegen, die Handlungsbedarf gebot. Er kündigt bereits vorab Berufung und Revision an: "Dieses Strafverfahren wird nicht hier, sondern im Kammergericht entschieden."
Das Urteil, das Richter Wiehnroth verkündet, folgt dennoch dem Antrag der Anklage: eine Geldstrafe von 1.050,00 Euro wegen Beleidigung. In der Urteilsbegründung erklärt der vorsitzende Richter, er nehme dem Angeklagten die Betroffenheit zwar ab, aber die Beleidigung sei "nicht die erste Wahl der Maßnahme" gewesen. Ihm, dem rhetorisch bewanderten Elfferding, hätten andere Maßnahmen zur Wahl gestanden. Seine Beleidigung reiche inhaltlich schließlich weiter, 'als das, was an diesem Tag nicht richtig gelaufen sei'.
Aus dem zahlreich erschienen Publikum, vor allem Berufskollegen des so Verurteilten, waren Buhrufe als Reaktion auf das Urteil vernehmlich und der allseits bekannte Spruch: "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus."
Ob der so Verurteilte nun in die bereits angekündigte Berufung geht und ob die Berufung bei diesem geringen Strafmaß auch angenommen wird, bleibt abzuwarten.