Mehr als 95% aller Alleinerziehenden in Berlin sind
Frauen. Rund 86,7% aller zu Unterhaltszahlungen an ihre
Kinder verpflichteten, geschiedenen Ehemänner, so das
Nebenprodukt einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag
gegebenen Studie zur Situation geschiedener Paare aus dem
Jahr 2002, entrichten offiziell die ihnen aufgegebenen
Zahlungen.
Raik B. zählt zu den unrühmlichen knapp 14%
nichtzahlungswilliger Väter. Trotz Einkommen, trotz
Erbschaft hatte der gerlernte Lackierer jahrelang kein
Geld für seine 1998 geborene Tochter K. übrig.
Kein Umgang, ergo keine Alimente, so seine bockige
Devise.
Am 26. April 2007 sitzt der jetzt arbeitslose Raik B.
in einem der orangen Plastikschalenstühle auf dem
Flur des Amtsgerichts Tiergarten und knetet den
grünen Umschlag mit seiner gerichtlichen Vorladung.
Braungebrannt, kräftig, tätowiert, kurz
geschorene Haare, eine mit einem Dreitagebart umstandene
Mundpartie und Goldohrringe. Er trägt einen
Blaumann, dessen Latz vorn herabhängt.
Als sein Rechtsanwalt erscheint, lässt Raik B. in
einer letzten Beratung trotzig und laut vernehmlich
wissen, dass ihm das Urteil "wurscht" sei. Denn, so sagt
er: " Wo nix is, da is nix." Sein besorgt
dreinschauender Rechtsbeistand scheint nicht recht
überzeugt. Nachdem er den Boden für seinen
Mandanten vor Gericht und Anklage bereitet hat, erfolgt
der Aufruf der Sache.
Mehr als drei Jahre hat der geständige Raik B., so
die Anklage, seiner jetzt neunjährigen Tochter die
Unterhaltszahlungen vorenthalten. Trotz
diesbezüglicher Schulden beim Bezirksamt ließ
sich Raik B. eine Erbschaft von 176.330,00 Euro
auszahlen und beantragte im Juli 2004 unter falschen
Angaben sogar die Stundung seiner Schuld.
Von undurchsichtigen Immobilienverhältnissen ist
die Rede, von Vermögensübertragungen auf seine
Schwester und davon, dass Raik B. die Annahme eines
Fulltimejobs verweigerte, um sich der Verpflichtung zu
Unterhaltszahlungen zu entziehen.
Befragt durch den Vorsitzenden Richter erklärt
Raik B. hierzu lax: "Der Vorwurf ist soweit in Ordnung."
Um auf Nachfrage genervt zu vertiefen: "Ja, das ist so."
Als der jetzt arbeitslose Maler seine
Einkommensverhältnisse erläutert - monatliche
705,00 Euro insgesamt, eine JobCenter finanzierte
Weiterbildung in Hausmeisterdiensten - erklärt der
Richter: "Herr B., ich mache mir große Sorgen um
Sie!"
Doch auch der Hinweis der Staatsanwältin, Raik B.
müsse seine tatsächlichen
Einkommensverhältnisse dem Amt offen legen, perlt
an dem Angeklagten ab wie Wasser am Gefieder hiesiger
Spree-Enten. - Dabei hat Raik B. allen Grund, etwas
kürzer zu treten. Mehrere Bewährungsstrafen
gehen innerhalb der letzten fünf Jahre auf sein
Konto. Wegen unerlaubten Waffenbesitzes, Fahren ohne
Führerschein, Vorenthalten von Arbeitsentgelt und
wegen Beleidigung. Eine Bewährung ist noch offen.
Da Raik B. geständig ist, verzichten Gericht und
Staatsanwaltschaft auf eine vertiefende Beweisaufnahme.
Das Gericht honoriert das Entgegenkommen des Angeklagten
in seinem Urteil schließlich mit einer
Bewährungsstrafe von einem Jahr. Wegen Betrugs und
Verweigerung des Kindesunterhalts. Die Auflage:
Raik B. hat innerhalb eines Jahres seine Schulden beim
Amt zu begleichen und laufenden Kindesunterhalt zu
leisten.
"Das müssen Sie aus der heutigen Verhandlung mit
nach Hause nehmen: das Kind kann nichts dafür. Sie
haben das Geld," ermahnt der Vorsitzende Richter Raik B.
Doch der patzt larmoyant in die Urteilsbegründung:
"Ik hatte doch gar keen Vermögen!"
Über die Zahlungsunwilligkeit von Raik B. gibt
sich der Richter schließlich keinen Illusionen
mehr hin. Nach einem wütenden: "Da brauchen Sie gar
nicht so bockig zu tun", entlässt er den
Unbelehrbaren mit der Bemerkung: "Nun will ich Sie nicht
länger langweilen und wünsche noch einen guten
Tag."
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