Am 21.2.07 und 12.03.07 nahmen die Angeklagten nach Schließung der Beweisaufnahme noch einmal Gelegenheit für ein letztes Wort. Darin befanden sich ausnahmslos alle der durch die Staatsanwaltschaft gegen sie erhobenen Vorwürfe für unschuldig. Einige reklamierten auch die ihnen in den letzten fünf Jahren durch die Ermittlungen erlittenen Belastungen für sich, ihre Familie und Freunde.
Dreimal Peking und zurück
Der als pingelig bekannte, ehemalige Finanzvorstand Heinz Wehling (70), wohnhaft Weserbergland, rechnete beispielsweise vor: "77 Hauptverhandlungstage, 45.000 Kilometer Bahnfahrt, 600 Stunden Zugreise, dreimal Peking hin und zurück und eine private Vermögensgefährdung von 1,4 Millionen Euro." Letzteres wohl hauptsächlich Rechtsanwaltskosten.
Klaus-Rüdiger Landowsky hatte vorab dem Gericht ein 200 Seiten umfassendes Redemanuskript übersandt und erklärte emotional sichtlich angegriffen: "Ich kämpfe für meine Ehre." Unbescholtene 30 Jahre Bankenkarriere, 22 Jahre Vorstandsmitgliedschaft, 25 Jahre Landesparlament, resümierte der ehemalige Bankenchef und betonte: "Mein Engagement für die spannende Aufgabe 'Aufbau Ost' sollte dem Land Erfolg bringen und hat es auch gebracht." Einen Seitenhieb landete der gekränkte Landowsky gegen den Justizsenat im allgemeinen und die bis November 2006 amtierende Justizsenatorin Karin Schubert (SPD) im besonderen, die die Justiz "zu einer Eingreifverwaltung umfunktiert" habe. "Ich vertraue auf ein gerechtes Urteil", schloss der studierte Jurist.
Wolfsburg in Berlin
Nach mehr als anderthalb Jahren Verfahrensdauer wird die 36. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Josef Hoch am Mittwoch dieser Woche die Urteile verkünden. In ihrem Plädoyer im Dezember 2006 hatte Staatsanwältin Vera Junker Haftstrafen für alle Angeklagten beantragt. Die mediale Resonanz, die den Anträgen der Anklage folgte, schraubte adäquat die Strafmaßerwartungen der Öffentlichkeit in die Höhe.
Doch, ganz ehrlich, schauen wir nach Wolfsburg, denken wir an VW und Peter Hartz (Bewährungstrafe und eine Geldstrafe von 576.000 Euro), an Mannesmann, den Aufsichtsrat und Ex-Vorstand der Deutschen Bank Josef Ackermann (schwebender Freispruch), denken wir an Schmiergelder in Millionenhöhe, an spendierte Bordellbesuche... Ist Berlin päpstlicher als der Papst?
Promifonds - die spanische Eröffnung
Ansonsten offensichtlich nicht, denn wir haben sie ja bereits in Berlin, die 'spektakuläre' Vorteilsnahme in Managerkreisen - als Teil des "Bankenskandal"-Komplexes: die "Promifonds"-Affäre.
Im Oktober 2005 wurde der ehemalige LBB-Vorstand Jochem Z. wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 52.800 Euro verurteilt. Die Mitangeklagten, LBB-Vorstand Ulf-Wilhelm D. sowie der leitende LBB-Mitarbeiter Willi-Helmut B., schieden bereits zu Prozessbeginn wegen gesundheitlicher Probleme aus dem Verfahren, vorläufig. - Ein mäßiges Urteil*2 möchte man meinen.
Um eigene Vorteilsnahme wie bei den "Promifonds" geht es im vorliegenden Prozess dagegen nicht. Worum dann? Hat sich á la 'Ober sticht Unter' ein politischer Wille branchenfremd in Kreditvergabeentscheidungen geschlichen? Wenn ja, mag das wohl verwerflich sein, strafrechtlich relevant ist es allerdings nicht.
Aus alt mach neu
Noch einmal das AUBIS-Engagements der BerlinHyp im Schnelldurchlauf. Anfang der 90er, 'Nachwende': Berlin regiert mit Bürgermeister Eberhard Diepgen eine schwarz-rote Koalition (1991-2001), das Land führt Wiedervereinigungskanzler Helmut Kohl (1982-1998). Obwohl die neue Gesellschaft mobil wie nie ist, zunächst nur die Neubundesbürger wie die Lemminge der Arbeit hinterherstürzen, bleibt Wohneigentum der Tophit auf der Bestsellerliste der Habenwünsche - jedenfalls der ge'settle'n Altbundesdeutschen. Parallel dazu droht der Gigabestand aschgrauer Betonbauten in spe zum Klotz am Bein einer sich in 'bühende Landschaften' wandelnden Gesellschaft zu mutieren. Politisches Fazit auf Bundesebene: der riesige, kommunale Wohnungsbestand muss weg.
Mit dem Altschuldenhilfegesetz vom Juni 1993 nimmt die Bundesregierung die ostdeutschen Wohnungsbauunternehmen in die Zange: Privatisieren gegen Teilentschuldung. Aber die Privatisierung verläuft trotz Verfallsdatum der Offerte nur schleppend. Der (damals) privilegierte, gut betuchte Bewohner der ostdeutschen Platte kauft trotz entgegenstehender Prognosen und Sonderkonditionen seine vier Wände nicht.
Auch die Berliner Hypotheken- und Pfandbriefbank AG, nach Fusion mit der Braunschweig-Hannoverschen Hypothekenbank AG 1996: BerlinHyp, leidet unter dem Strukturwandel der Nachwendezeit. Ihr wichtigstes Betätigungsfeld, der soziale Wohnungsbau, ist obsolet. - Da rückt das 'Marktsegment' der ostdeutschen Problemplatte ins Geschäftsfeld.
politics meets business
Gemeinsam mit den Parteifreunden Christian Neuling und Klaus Hermann Wienhold, als Chefs der kleinen AUBIS-Unternehmensgruppe auch Kreditnehmer der BerlinHyp seit Juli 1991, entwickelt Klaus-Rüdiger Landowsky das "Zwischenerwerbermodell", das die Privatisierung (sozusagen in Eigenregie) im großen Stil anschieben soll und dem Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) mit einer Gesetzesnovelle den Weg ebnet.
Die Ideengeber und AUBIS-Chefs Wienhold und Neuling steigen konkurrenzlos in den Ring und bekommen den Zuschlag. Das Riesen-Karussell Kaufen-Basissanieren-Privatisieren läuft an. Den Rest kennen wir. Mitte der 90er einsetzende Krisenerscheinungen. Die Altbauförderung läuft der Plattensanierung den Rang ab. Auch andere Mittelständler, die sich mit der Platte und dem 'Zwischenerwerbermodell' den Traum vom ganz großen Geld zu erfüllen hofften, gehen in die Insolvenz. - Nicht so die AUBIS-Gruppe.
Zu viel Geld hat die BerlinHyp in die Plattenprivatisierer gesteckt. Um das Engagement zu retten, wie die Bankmanager heute sagen, schob die Bank noch einmal eine knappe Viertel Milliarde DM hinterher.
Ohne Schaden ins Rampenlicht
Ein tatsächlicher Schaden jedoch soll, anders als von der Staatsanwaltschaft behauptet, laut Verteidigung nicht eingetreten sein. Was bleibt? Ein nicht ganz glückliches Geschäft, das durch eine unkoschere Parteispende das Licht der Skandalblätter erblickte, das Berlin eine rot-rote Regierung bescherte und fast synchron zur CDU-Spendenaffäre 2001 den "Berliner Bankenskandal" ins Rollen brachte.
Warum aber, so fragt man sich dann, dieser Rummel um das AUBIS-Kreditengagement? Ex-Vorstand Horst Büttner (69), sich hierin mit den meisten Angeklagten einig wissend, glaubt es auf den Punkt zu bringen mit: "Ohne Herrn Landowsky und die Spende säßen wir heute nicht hier."
Wenn es mit rechten Dingen zugeht, möchte man meinen, sollte dieser Prozess am Mittwoch mit Freisprüchen zu Ende gehen. Denn abgesehen von jeder qualitativen Beurteilung dieses strittigen BerlinHyp-Engagements muss sich eine jetzt moralinsauer auftrumpfende Gesellschaft, die kritiklos die Verquickung von Politik und Wirtschaft hinnimmt, mit §1 StGB auch die Abfuhr gefallen lassen: Keine Strafe ohne Gesetz.
*1 mit kritischem Verstand lesen
*2 (pdf 101 kb)