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aus dem moabiter kriminalgericht


Der liebe Gott im Knast
– Häftlinge der JVA Tegel richten einen vermeintlichen "Kinderschänder" -


von Barbara Keller

12. Mai 2006. Kriminalgericht Moabit, (38. gr. Strafkammer)
Anfang September 2005 unterziehen fünf Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Tegel nachts einen Zellneuzugang und angeblichen "Kinderschänder" ihrem brutalen Tribunal. Sie sollen ihn geschlagen, getreten, vergewaltigt und dazu gezwungen haben, ein Geständnis und ein Verlegungsgesuch aufzusetzen. Thomas G., das Opfer, ist kein so genannter "Kinderschänder". Verurteilt wegen versuchten Mordes, trifft ihn das Schicksal jedoch in einer Weise, die ihm selbst sehr vertraut ist.
Urteil vom 4.8.08

Haftanstalt Tegel, Seidelstraße 39. Es ist Anfang September 2005. Die fünf Häftlinge Neazi S. (37), Nasser H. (37), Andreas R. (44), Mücahit C. (41) und Javkhlan L. (25) teilen seit rund einer Woche in dieser Zusammensetzung die Zelle. Es soll einen Neuzugang geben: Thomas G. (36). Und von den Zellnachbarn und aus der Presse weiß man darüber hinaus noch etwas mehr: Thomas G. soll ein "Kinderschänder" sein. Andreas R. will sogar die Familie des Opfers, Bianco L., kennen.

Thomas G. ist mit seiner Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten wegen versuchten Mordes, offenbar der Hartgesottenste unter den Einsitzenden. Im Juni 2004 quälte er zusammen mit drei anderen Kumpels den Jüngsten ihrer an chronischer Langeweile leidenden, betrunkenen Crew. Am Ende einer zwei Tage währenden Tortour sollte der schwer verletzte Bianco L. durch einen Stromstoß sterben. Es kam jedoch anders. (Info ...)

Von Beginn an ist sich die multinationale Tegeler Zellbesetzung bestehend aus einem Libanesen, Mazedonier, Türken, Mongolen und einem Deutschen einig: so einen wollen wir nicht. Sie sind saubere Verbrecher. In der Nacht vom Donnerstag zum Freitag, vom 8. zum 9. September 2005, kocht die Abneigung und Ablehnung der Häftlinge gegen den Neuzugang - ein korpulenter Mann mit Bürstenhaarschnitt und Tätowierung, der sich zunächst schüchtern und zurückhaltend verhält, hoch.

Sie bereiten Thomas G. ein demütigendes Inferno. Ein Inferno das in seiner Brutalität und Sinnlosigkeit dem des von Thomas G. und seinen Kumpels Anfang 2004 gegen Bianco L. verübten empfindlich gleicht.

Am 12. Mai 2006 sitzen die selbsternannten "Richter", Neazi S., Nasser H. und Andreas R., auf der gleichen Anklagebank wie noch vor einem Jahr ihr Opfer Thomas G. Nur Mücahit C., der sich entschlossen hat auszusagen, ist auf freiem Fuß. Ungerührt lauschen die Angeklagten der Verlesung der Anklageschrift.

Nach der sollen mindestens drei der fünf Häftlinge - einem plötzlichen Impuls folgend - Thomas G. in der Nacht vom 8. zum 9. September 2005 getreten und geschlagen haben. Sie nötigten ihn, so heißt, es, seinen eigenen Urin zu trinken, zwangen ihn, sich nackt auf den Hals einer Flasche zu setzen, bis dieser vollständig in ihn eingedrungen war, stülpten ihm einen Mülleimer über den Kopf, hielten seinen Kopf in das Toilettenbecken, spülten und brachten ihn dazu, völlig entkleidet wie eine Hund auf dem Boden herumzukriechen, dabei unter anderem die Worte wiederholend: "Ich bin ein Kinderficker ..."

Am Schluss der Prozedur, die gegen 0:00 begann, sollte Thomas G. ein Schuldeingeständnis und einen Antrag auf Verlegung in eine andere Zelle schreiben und unterzeichnen. Der Text wurde ihm diktiert. Danach klingelte er auf Geheiß der Mithäftlinge nach der Wache und überreichte den Verlegungsantrag. Da war es drei Uhr nachts. - Mithäftling Jarkhlan L., so die Anklage, machte sich mitschuldig, indem er versäumte, um Hilfe zu rufen.

Der erste Tag der Verhandlung am 12. Mai 2006 vergeht mit der Zeugenaussage von Mücahit C. und der Verlesung der Urteilsbegründung des Verfahrens gegen Thomas G. vom 3. Juni 2005. Entgegen seinen bisherigen Aussagen will Mücahit C., der seinerzeit nur noch drei Monate zu sitzen hatte und sich deshalb, wie er sagt, heraushielt, kaum etwas mitbekommen haben.

Bis auf die Prozedur mit der Flasche bestätigt er dann aber doch peu à peu den Hergang der Ereignisse dieser Nacht. Nasser H. sei der Anstifter gewesen, Andreas R. federführend bei dem Aufsetzen der Schriftstücke. Man habe den "Kinderschänder" nicht in der Zelle haben wollen. Mücahit C.: "Wir haben ja auch Kinder. Da gehen die Gefühle hoch."

Am 19. Mai 2006, 9:00, Saal 217, wird die Zeugenaussage des Opfers Thomas G. erwartet, die neben der Aussage eines JVA-Angestellten - sicher den ganzen Tag in Anspruch nehmen wird.

Urteil vom 4.8.2006:
Den drei Hauptangeklagten, Neazi S. (37), Nasser H. (37), Andreas R. (44), konnte die Vergewaltigung so nicht nachgewiesen werden. Sie erhielten eine Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung von einem Jahr auf Bewährung. Mücahit C. (41) und Javkhlan L. (25) kamen mit einer Haftstrafe von drei Monaten auf Bewährung wegen unterlassener Hilfeleistung davon.

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NJW schreibt:
"Es gibt noch qualifizierte Gerichtsreporter..."
NJW-aktuell - web.report H. 38/2010, S.3




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angeklagt ...
Mücahit C. war einer der fünf Häftlinge jener Zelle, in der der wegen versuchten Mordes einsitzende Thomas G. als angeblicher "Kinderschänder" gequält und gedemütigt wurde: "Wir haben ja auch Kinder. Da gehen die Gefühle hoch."

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