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M. Häusler/B. Hitzler
"Zwischen Tanzboden und Bordell"
be.bra Verlag 10.2010
ISBN-10: 3937233725
24,95€

Zwischen Tanzboden und Bordell

von Barbara Keller


Berlin, 1869. In zwei Jahren wird die preußische Provinzstadt zur Reichshauptstadt des Deutschen Kaiserreichs avancieren. Da erregt eine ins Haus stehende Novelle zum Prostitutionsgesetz die öffentlichen Gemüter. Zwischen Einsperren und Legalisierung schwanken die Diskussionen, als im April 1869 ein aus Sachsen gebürtiger Gefängnispfarrer, 33 Jahre alt, Interviews mit 100 inhaftierten Prostituierten führt. Die Innere Mission möchte die Gesetze verschärfen. Doch unter dem Druck der protestierenden Öffentlichkeit reicht Kanzler Bismarck einen milden, revidierten Gesetzesentwurf nach...
Gerade einmal zehn Jahre (2002) ist es her, dass das "Älteste Gewerbe der Welt" als Dienstleistung, zumindest in Deutschland, anerkannt ist und eine Prostituierte ihren Lohn vor Gericht auch einklagen kann. Bis zuletzt stand dieser Service immer auch unter Strafverdacht, waren 'Sexarbeiterinnen' doppelt diskriminiert und ausgebeutet.

Was hat die Welt, von den aufreizenden Nacktpostern der Werbung öffentlich belauert, bis zuletzt gelacht, als gar von beruflicher Schulung und steuerlichen Abschreibungen die Rede war. Kondome abschreiben, haha!, wieherten da die Abschreibungskaiser.

Als Phänomen der werdenden Metropole diskutierte Berlin das Thema bereits vor anderthalb Jahrhunderten hitzig. Und als 1869 eine Gesetzesnovelle ins Haus stand, die das Prostitutionsgesetz in Preußen vereinheitlichen sollte, redete man sich in aller Öffentlichkeit die Köpfe heiß.

Immerhin avancierte Berlin zwischen 1800 und 1900 von einer Einwohnerstärke von 100.000 zu einer Millionenstadt mit all seinen lasterhaften Begleiterscheinungen und bislang nicht dagewesenen, unüberschaubaren Verhältnissen. Nicht nur im Abgeordnetenhaus waren die Prostituierten Thema, auch in der Arbeiter- und der noch jungen Frauenbewegung, die bereits das Wahlrecht für Frauen einforderten.

Aber was erzähle ich. Michael Häusler und Bettina Hitzer haben mit ihrem Buch "Zwischen Tanzboden und Bordell" die Berliner Situation zum Thema um die Jahrhundertmitte mit ihrem Buch lebendig gemacht. Dreh- und Angelpunkt sind Interviews, die der damalige Gefängnispfarrer Alfred Ragotzky mit 100 Prostituierten führte.

Im Auftrag der Inneren Mission, versteht sich, die allerdings die Verschärfung der Gesetze im Auge hatte. Aufgrund der Proteste der Öffentlichkeit legte der gute alte Bismarck schließlich einen revidierten Gesetzesentwurf vor. § 146 des Preußischen Strafgesetzbuches wurde gemildert. Wegen seiner Schwammigkeit blieben die 'gefallenen Frauen' jedoch weiter dem Goodwill der Polizeibehörden, angegliederter sozialer Besserungsunternehmen und den Prozeduren experimentierfreudiger Charité-Ärzte ausgesetzt...

Fazit: Von der Sittenlosigkeit zum Sittenbild. Ein Buch, das von der Couch holt, die damaligen Orte der Lust mit den heutigen zu vergleichen.


"Michael Häusler, Dr. phil., ist Historiker und leitet das Archiv und die Bibliothek des Diakonischen Werkes der EKD in Berlin."

Bettina Hitzer, Dr. phil., ist Historikerin und arbeitet am Forschungsbereich "Geschichte der Gefühle" des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. (...sagt der be.bra Verlag)


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