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Hier lasen Sie im Herbst 2007 in wöchentlicher Folge Axel Bussmers Debütkrimi "Ein bisschen Luxus".
Jeden Montag neu...

krimidebüt mit folgen...

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Axel Bussmer, "Ein bisschen Luxus" (14/28)


Kraft fuhr nach Staad. Langsam fuhr er auf der Mainaustraße in Richtung Konstanzer Altstadt. Er suchte auf beiden Seiten nach einem unverdächtigen Fahrzeug. Eines, das am Casino in der Nacht nicht auffallen würde. Eines, das keine Alarmanlage hatte und dessen Besitzer nicht in einigen Minuten aufstehen würde, um Angeln zu gehen. Ein Auto. Oder zur Not auch ein Motorrad. Dann müsste er zwar mit seinem Material anders umgehen. Vielleicht könnte er nicht alles mitnehmen, aber bei einer Flucht wäre er wesentlich mobiler.

Zwei Uhr.

Und noch immer hatte er kein ihm genehmes Auto gefunden. Kraft fluchte leise über Meier-Neff, wie immer, wenn er sich ärgerte. Dieser Pisser hatte ihm mit seiner schlechten Bewertung die Prüfung vermasselt. Und später sogar persönlich geschrieben, er lehne eine Einstellung von Kraft wegen dessen unpädagogischer Einstellung ab. Dabei hatte er nur gemeint, die Schüler müssten aus eigenem Antrieb lernen. Wenn er ihnen das nötige Wissen einprügeln müsse, werde er keinen Erfolg haben.

Weiter kam er nicht, da hatte dieser Kretin, der keine zwei Tage in einer Schulklasse ausgehalten hatte, ihn abgeschossen. Dabei hatten vor über dreißig Jahren irgendwo im Schwarzwald die Schüler noch auf einen Lehrer gehört. Ihn als Respektperson behandelt. Vielleicht hatte er sich auch einfach nur geärgert, dass er mit seiner Tochter gegangen war. Nach der Beurteilung hatten sie sich zwei Abende gestritten. Dann trennten sich ihre Wege. Sie hatten zu unterschiedliche Ansichten über den Grund für seine schlechte Benotung.

Sein Auto würde er mit Vergnügen in die Luft jagen. Vielleicht sogar, wenn der Diebstahl glatt ablief. Jedenfalls würde er dafür sorgen, dass sich jemand dessen Auto merkte.

Drei Minuten nach zwei Uhr fuhr Kraft sein Auto auf einen Parkplatz für eines der Hochhäuser. Aus dem Kofferraum holte er das Halfter, legte es an und schob die Pistole, die Wieland ihm vorher gegeben hatte, hinein. Dann lief er über die Mainaustraße ins Oberstegle zum Haus von Meier-Neff. Auf der Klingel stand immer noch sein Name. Und sein Auto stand daneben. Er zog sich dünne Latexhandschuhe an. Mit einem elektrischen Schlossöffner brach er die Fahrertür auf. Dann startete er das Auto, ein 190er Benz, und fuhr zu seinem Auto. Er sprang aus dem 190er, öffnete bei seinem Auto den Kofferraum und holte zwei Taschen heraus.

Zehn Minuten später war er am Casino. Bei der Polizei war alles ruhig. In den meisten Häusern brannte kein Licht mehr. Nur im Casino war noch Leben.

Wieland fuhr das Boot in einem weiten Bogen ums Hörnle herum in die Konstanzer Bucht. Lade und Haller hielten schweigend ihren Kopf in den Fahrtwind.

Es war nur das leise tuckern von ihrem Motor zu hören. Übermorgen, nach dem Feuerwerk, würden der See und die Konstanzer Bucht um diese Zeit noch voll sein. Die Fähr- und Touristendampfer mit ihren Gesellschaften, die kleineren Boote mit ihren kleineren Gruppen von Freunden und die Kanus, in denen nur ein Liebespaar platz fand. Und die Geräusche vom Ufer. Wenn die Bedienungen die letzten Trinker heimschickten, ihre Stände schlossen und andere noch eine letzte Pulle Wein am Ufer leerten. Dann hätten sie sich keine Sorge um Lärm machen müssen. In dem Chaos wären sie überhaupt nicht aufgefallen. Nur hatten sie keine Ahnung, wo dann Siblings Esmeralda war. Wahrscheinlich irgendwo unauffindbar auf dem See. Also heute Nacht â in der Ruhe vor dem Sturm.

Kraft parkte rückwärts ein. Dann wartete er, bis er sicher war, dass er allein war. Kein Liebespaar benutzte die Wiese oder die Büsche als Liebesnest. Auf den Bänken saß auch niemand.

Kraft schnappte sich die auf dem Beifahrersitz liegende Tasche und stieg aus. Langsam ging er zu einem großen Mercedes. Das Modell konnte er nicht genau erkennen. Seine Schritte strahlten die Sicherheit eines Mannes aus, der nichts zu verbergen hat. Falls ihn doch jemand sah, würde er der Polizei nur sagen können: "Ich habe einen Mann gesehen. Normale Größe. Nichts Auffälliges. Er kam aus dem Casino. Hat dort wahrscheinlich etwas Geld verloren und etwas getrunken. Jedenfalls wirkte er zufrieden und etwas müde." Genau diesen harmlosen Eindruck musste Kraft für sein verbrecherisches Tun vermitteln.

Neben dem Mercedes ging er in die Knie. Er öffnete eine Tasche. Lauschte dabei auf verdächtige Geräusche. Instinktiv zählte er seinen Herzschlag. Etwas schneller. Er holte einen taschenbuchgroßen, schwarzen Kasten aus der Tasche und klebte ihn unter das Auto. Mit einer Fingerbewegung machte er die Bombe scharf. Das gleiche tat er bei vier anderen Autos. Er hätte gerne eine der Bomben unter das Auto von seinem Prüfer geklebt. Allerdings war er zu faul, den ganzen Weg zu seinem Auto zurückzulaufen.

Er steckte die leere Tasche in die zweite Tasche.

Er ging einige Schritte in Richtung Hörnle und wartete auf das Boot. Die Tasche stand zwischen seinen Beinen.

Wieland schaltete den Motor aus. Haller und Lade nahmen die Paddel und tauchten sie langsam in das Wasser. Bei den ersten Metern nutzten sie die langsam nachlassende Fahrtgeschwindigkeit ihres Bootes aus.

Knapp fünfhundert Meter. Wenn sie jemand gehört hatte, hielt er sie für sehr früh aufstehende Angler, die in der Bucht ihr Glück versuchten.

Fünfzehn Minuten vor drei Uhr.

Sie lagen genau im Plan. Im Jachthafen war alles ruhig. Sogar die Lichter in den Schiffen waren aus. Nur die Laternen auf den Stegen verbreiteten etwas Licht.

Kraft hörte einen leisen Schiffsmotor. Dann nur noch das Plätschern der sanft an den steinigen Strand schlagenden Wellen. Das waren sie. Da bemerkte er zum ersten Mal rechts von sich ein Licht. Er hatte es schon die ganze Zeit gesehen, aber nicht weiter darauf geachtet. Denn die Lampen des Jachthafens gehörten zur Gegend. Genau wie die Lichter des Casinos. Aber während das Casino für sie egal war, störten die Hafenlichter. Denn wenn nur einer aus einer Luke blickte und das Boot mit einem in ihm sitzenden Mann oder zwei schwarzgekleidete Männer, die sich einen nicht erlaubten Zutritt zur Esmeralda verschafften, sah, würde er laut und deutlich vernehmbar für den gesamten Hafen auf losbrüllen. Zu Recht.

Kraft stand auf und ging mit großen Schritten zum Hafen. Wo war nur der verdammte Stromkasten? Hinter dem Tor. Und das Tor war sicher abgesperrt. Warum hatten sie nicht vorher an diese Festbeleuchtung gedacht? Dann hätten sie sich einfach tauchend genähert. Aber dafür war es jetzt zu spät.

Scheiße.

Kraft drehte den Türknauf. Dann zog er die aus einem Drahtgitter bestehende Tür zum Jachthafen zu sich. Nichts. Er drückte sie von sich weg. Wieder nichts. Mit seiner linken ertastete er das unter dem Knauf liegende Schloss. Gut. Er holte den Schlossöffner aus seiner Tasche und schob ihn auf das Schloss.

Er drückte. Knack. Offen.

"Was tun Sie da?"

Kraft zuckte zusammen. Er drehte sich um. Vor ihm stand ein stämmiger Mann in einer Fantasieuniform. Wahrscheinlich einer der Lakaien vom Casino.

"Ich. Äh, ich will hier rein. Zu meinem Schiff."

"Ihre Registriernummer?"

"Äh?"

Dann sah Kraft nur noch zwei auf ihn zufahrende Hände. Instinktiv zog er sein rechtes Bein hoch und trat dem Mann kräftig in die Eier. Er gab ein erschreckt-erstauntes Geräusch von sich. Kraft knallte ihm seinen metallenen Schlossöffner kräftig auf den Kopf. Der Schlag wurde von seiner Mütze gedämpft.

Der Riese lag, spastisch mit seinen Armen und Beinen rudernd, wenn er sich nicht gerade seine Eier vor weiteren â nicht kommenden â Schlägen und Tritten schütze, auf dem Boden. Kraft riss die Pistole aus dem Halfter. Mit einer fließenden Bewegung entsicherte er sie und hielt sie ihm an den Kopf.

"Scheiße.", flüsterte Kraft. âIch kann ihn nicht abknallen. Zu laut. Aber wie sonst? Erstechen? Schon besser. Aber zu blutig. Erdrosseln? Noch besser. Nur wie? Habe ich meine Garotte dabei?â

Kraft trat dem Mann zweimal kräftig in den Bauch. Er war jetzt zu beschäftigt mit seiner Atmung, um irgendetwas anderes zu tun. Und auch das gelang ihm nur leidlich. Er durchwühlte seinen Rucksack, bis er die Garotte in seine Finger bekam.

Eine Minute später legte er sie zurück. Er blickte sich um. Niemand hatte etwas gesehen. Er stieß die Leiche die Uferböschung hinunter. Er war ihm egal, ob er ins Wasser glitt oder vorher liegen blieb. Er war vom Ufer aus auf den ersten Blick nicht mehr zu sehen. Und auf mehr kam es ihm nicht an.

Kraft öffnete die Tür und sprang zum Verteilerkasten. Mit seinem stabilen Tauchermesser hebelte er den Kasten auf und zog einfach alle Sicherungen heraus. Dieser Blödkopf hatte ihn wertvolle Minuten gekostet.

Die Lichter gingen aus. Kraft wischte sich den Schweiß von der Stirn.

"Weiter.", flüsterte Wieland nachdem die Lichter im Hafen auf einen Schlag erloschen. Er und Lade senkten die Paddel. Haller legte seine Taucherausrüstung an. Langsam glitt ihr Boot in den Hafen und zwischen den Schiffen durch bis zur Esmeralda. Haller setzte seine Taucherbrille auf und glitt ohne ein Geräusch zu verursachen in das warme Wasser. Unter der Oberfläche schaltete er das UV-Licht an.

Wieland und Haller legten zwei Liegeplätze weiter an.

Das Infrarotlicht tauchte alles in ein gespenstisches Grün. Haller drehte sich auf den Rücken und schwamm langsam unter dem Boot vom Bug bis zum Heck, das immer wieder sanft den Steg touchierte. Wo hatte er sie versteckt? Sie hingen nicht in einer Tüte im Wasser. Also waren sie in einer Luke versteckt. Nur in welcher? Er hoffte, nicht jede Luke öffnen zu müssen. Dafür hätte er nicht genug Luft. Auch nicht mit der zweiten Patrone.

Haller glitt jetzt zum zweiten Mal unter der Esmeralda vorbei. Da fiel ihm eine Klappe auf. Sie war am Heck, knapp unterhalb der Wasserlinie und war anscheinend für nichts da. Aber von oben leicht zu erreichen. Haller befühlte sie.

Plötzlich kriegte er keine Luft mehr â und er konnte nicht auftauchen.

"Zehn Minuten.", flüsterte Lade.

"Gib ihm noch fünf.", antwortete Wieland.

Haller stieß mit der Zunge die Patrone aus seinem Mund. Langsam glitt sie auf den Seeboden. Aus der Tasche holte er die zweite und steckte sie in seinen Mund. Luft.

Er drückte die Klappe nach hinten und schob sie dann zur Seite. Vor ihm lag eine kleine Kiste. In ihr musste die Beute liegen. Jedenfalls ein Teil davon. Mit seiner Rechten griff er nach der Kiste. Sie lag gut in seiner Hand. Aber sie wollte sich nicht bewegen. Er ruckte etwas und befreite sie aus ihrer Halterung. Er steckte sie in seine Tasche. Er schob die Luke wieder zu. Er drehte sich um, schlug kräftig mit seinen Beinen und glitt zu ihrem Boot.

Ein Kopf tauchte aus dem stillen Wasser auf. Mit einem Plopp stieß er die Sauerstoffpatrone aus seinem Mund in das Boot.

"Habâ sie.", sagte Haller.

"Du bleibst hier. Wir gehen.", sagte Wieland. Lade stand bereits ungeduldig wartend auf dem Steg. Ihnen lief die Zeit, in der sie von ihrem Kollegen Kraft geschützt wurden, davon.

Haller zog sich an Bord. Er zog die Flossen aus, schlüpfte in seine Schuhe, legte den Gürtel ab und verstaute die Beute. Dann nahm er eine Beretta in seine Rechte. Wartete. Mit einer schussbereiten Pistole in seiner Hand.

Wieland und Lade hörten nur das leise Plätschern der Wellen. Wieland öffnete vorsichtig die Tür zum unteren Bootsteil der Esmeralda. Alles ruhig und dunkel. Sie glitten die Stufen hinunter. Wieland sicherte die Kajüte mit seiner Pistole. Lade hielt sich hinter ihm, bis sie die Tür zur Kapitänskajüte mit dem dahinter liegenden Safe erreichten.

Lade schob die Tür zur Seite und schlich sich in den kleinen Raum. Gerne hätte er Licht angemacht. So musste er den Safe im Dunkeln finden â ohne ein lautes Geräusch zu verursachen. Millimeterweise bewegte er sich zum Schreibtisch. Mit seinen Händen stieß er gegen ihn. Er ging in die Hocke. Der Safe war auf der linken Seite. Lade befühlte das Schloss. Eine Tastatur. Genau wie von Kirn es ihnen gesagt hatte. Er holte ein kleines elektronisches Teil aus seiner Hosentasche. Nicht größer als ein normaler Organizer. Aber mit einer gänzlich anderen Elektronik ausgestattet. Lade klebte einige Kabel an die Tastatur und schaltete sein Gerät an.

Nach kurzem â es waren nur wenige Sekunden gewesen, aber Lade kamen sie länger vor â gab das Gerät ein leises Piepsen von sich. Der Safe war offen. Lade steckte sein Gerät wieder in die Hosentasche. Er legte eine Tasche vor den Safe. Die eine Hälfte hielt er etwas hoch. Mit seiner freien Hand beförderte er einfach alles, was er im Safe fand in die Tasche. Dann drückte er die Safetür wieder zu.

"Okay.", flüsterte er zu Wieland.

"Ich glaube nicht.", sagte eine ihm unbekannte Stimme. Das Licht ging an. Lade und Wieland blinzelten zu einem fetten, bärtigem Monster, das gemütlich in der Tür lehnte. Die Spitze der Harpune deutete auf sie. In diesem engen Räum würde er einen von ihnen aufspießen, ehe er von ihnen erschossen wurde.

"Wer sind sie?"

"Der Besitzer."

Und dann brach die Hölle aus.


Axel Bussmer beim Ausbrüten feinteiliger Straftaten (rein literarischer Natur)
AXEL BUSSMER
iM INTERVIEW


(mit ULrike Duchna, Franka Plaschke und Barbara Keller im AREMA/Moabit
vom 31.07.2007...)


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