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Hier lasen Sie im Herbst 2007 in wöchentlicher Folge Axel Bussmers Debütkrimi "Ein bisschen Luxus".
Jeden Montag neu...

krimidebüt mit folgen...

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Axel Bussmer, "Ein bisschen Luxus" (13/28)


Kapitel 12

Sie waren ein eingespieltes Team. Seitdem sie vor sechs Jahren in einer Schnapslaune die Idee gehabt hatten, hatten sie noch zwei Jahre und etliche erfolglose Bewerbungen gebraucht, bis sie ihren ersten Diebstahl gemacht hatten. Eine einfache Sache. Sie gingen in die Kirche, nahmen die Monstranz, legten sie in einen großen Picknickkorb und schlenderten wieder raus. Dann warteten sie gespannt. Studierten die Tageszeitungen, sahen im Fernsehen die Regionalnachrichten, ließen das Radio laufen, versuchten an die Polizeiberichte zu kommen. Aber nirgends wurde über die verschwundene Monstranz berichtet. Kraft ging sogar zurück und unterhielt sich nach dem Gottesdienst mit dem Pfarrer. Ein netter Mann, der überzeugt war, die Ecke sei schon immer leer gewesen. Danach wussten sie, dass es geht. Sie warfen das Ding in den Bodensee. Das war ihr Gesellenstück.

In den folgenden Monaten stellten sie einen Geschäftsplan auf. Sie suchten nach geeigneten Objekten und nach Abnehmern. Das erste war einfach. Einige Zeitungen aufschlagen, die Bilder der Homestory ansehen. Im Fernsehen die Boulevardsendungen aufnehmen und dann die Wohnzimmeraufnahmen genau studieren. Auf Auktionen gehen und die Namen der Käufer aufschreiben. Das zweite war schon schwieriger. Einerseits kannte sie niemand. Andererseits wussten sie nicht, wen sie ansprechen konnten. Denn ein einfacher Anruf "Guten Tag, hier Wieland. Ich klaue Bilder. Welche soll ich für sie klauen?" war unmöglich. Wahrscheinlich hätten neun von zehn sofort die Bullen gerufen. Sie mussten daher den langsamen Weg der Andeutungen gehen. Auf Partys, Abschiedsfeiern, Tagungen. Bei einem Glas Sekt fragten sie, wie der andere es mit der Moral hielt. Dass die Steuern zu hoch seien. Dass es Möglichkeiten gäbe, etwas Geld zu machen.

Ihr erster Auftrag ergab sich dann fast zufällig. Peter Lade machte in der Nähe von Stuttgart bei der Beerdigung seiner Tante Elizabeth seine Aufwartung. Bereits bevor sie unter die Erde befördert wurde, stritt er sich mit seinem Alten. Bei der Trauerfeier versuchte er dann seinen Kummer im Alkohol zu ertränken. Es ging nicht. Egal wie viel er trank, er blieb klar im Kopf. Am frühen Abend unterhielt er sich mit seinem Onkel Rudolf, Elizabeths Mann. Er sagte ihm, wie dringend er Geld benötige. Peter schlug ihm vor, die Gemälde zu verkaufen. Rudolf sagte, er könne unmöglich auf die Bilder verzichten. Peter frage, ob sie versichert seien. Rudolf sagte ja. Und da schlug Peter ein Geschäft vor. Er klaut die Bilder. Rudolf meldet sie als gestohlen. Die Versicherung zahlt und er kann sich später die Bilder in seinem Keller ansehen. Er könne sie nach einiger Zeit sogar wieder in seinem Wohnzimmer aufhängen. Er müsse nur sagen, es seien Fälschungen. Niemand würde den Unterschied bemerken.

Drei Wochen später brachen Peter und seine Freunde bei ihm ein.

Viel später, lange nachdem die Versicherung bezahlt hatte und Rudolf wieder seine Bilder bewunderte, sagte er Peter: "Ich hätte niemals geglaubt, dass ich die Fälschungen zu Geld machen kann."

"Welche Fälschungen?", fragte Peter.

"Diese.", sagte Rudolf und deute mit seinem gut gefüllten Weinglas auf die von Peter und seinen Freunden gestohlenen Bilder. "Die Originale habe ich bereits vor Jahren verkauft. Brauchte das Geld für die Firma. Die Versicherung habe ich weiter bezahlt. Und dann kamst du mit deiner Idee. Eine grandiose Idee. Fälschungen klauen, die Versicherung zahlen lassen und dann die Fälschungen wieder aufhängen. Aber dieses Mal als Fälschungen."

"An wenn hast du damals die Bilder verkauft?"

"Uh, das kann ich nicht sagen."

"Nun, vielleicht hat er Interesse an weiteren Bildern."

"Ich frage ihn mal."

Und so wurde Peters Onkel Rudolf ihr Einstieg in das große Geschäft. Hans von Kirn, der damals die Bilder gekauft hatte, fand ihr Geschäftsmodell ausgezeichnet und seitdem hatte sich die Geschäftsbeziehung zwischen ihnen zum beiderseitigen Vorteil prächtig entwickelt.

Anfangs hatten sie jeden Auftrag lange besprochen, verschieden Pläne ausprobiert und sich mehrmals vergewissert, dass auch alles sorgfältig geplant war. Damals hatten sie nicht nur einen Plan B, sondern auch einen Plan C, D, E, undsoweiter. In dieser Zeit waren die Ergebnisse ihrer Arbeit öfter in den Schlagzeilen zu finden. Die vielversprechenste Spur der Polizei führte zur Russen-Mafia. Nachdem sie das gelesen hatten, gingen sie in das Konstanzer Casino essen. Ziemlich teuer und, nach ihrer Ansicht, von eher durchschnittlicher Qualität. Dafür bedienten sie zahlreiche Kellner, die ihnen ständig neue Teller und Gläser reichten. Und sie wischten ihre Münder in Stoffservietten ab.

An diesem Abend frage Lothar Kraft: "Was wäre, wenn niemand mehr etwas von unserer Arbeit erfährt?"

"Wie?"

"Wir tauschen sie aus."

Die anderen wussten zuerst nicht, ob sie Lothars Idee für genial oder behämmert halten sollten, bis er sie ihnen genauer erklärte: "Wir lassen eine gute Fälschung anfertigen. Entweder unter der Hand. Oder sogar ganz legal. Dann kann unser Auftraggeber in den ersten Wochen, Monaten, die Fälschung bei sich aufhängen. Später tauschen wir sie gegen das Original aus. Bei dem anderen hängen wir dann die Fälschung hin. Der wird niemals erfahren, dass er sich eine Fälschung ansieht."

"Und wenn doch?"

"Ist soviel Zeit vergangen, dass die Bullen überhaupt nicht mehr herausfinden können wer wann eingebrochen ist."

"Klingt gut."

"Risikominimierung bei voraussichtlicher Profitmaximierung."

"Streich das voraussichtlich. Dann können wir mehr verlangen."

Seitdem fanden keine spektakulären Kunstdiebstähle mehr statt. Jedenfalls keine, bei denen sie beteiligt waren. Sie hatten es jetzt auch nicht mehr nötig, auf Verdacht zu klauen und dann das Diebesgut zu lagern, bis sich ein Käufer fand.

Auch bei dem jetzigen Auftrag von von Kirn mussten sie sich nicht lange über die genaue Ausführung unterhalten. Nachdem sie in der Kathedrale festgelegt hatten, wann sie den Raub begehen würden, gingen sie auseinander. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Auch Lothar, der im Moment einigen Hausfrauen und mittleren Angestellten Englisch beibrachte.

Um zehn Uhr beendete Lothar den Englisch-Unterricht. Zehn Minuten später hatte er die Fragen seiner Schüler beantwortet und der letzte hatte das Klassenzimmer verlassen. Lothar wischte die Tafel ab. Dann hörte er seine Mailbox ab.

"Hallo Lothar, Fritz hier. Rufst du mich wegen des Spiels am Wochenende an. Danke.", sagte Fritz.

Auf dem Weg zu seinem Auto, einem sechs Jahre altem Golf, wählte er die Nummer von Fritz. Bei seiner Arbeit fuhr er immer mit dem alten Golf. Hier wäre ein besseres Auto zu sehr aufgefallen â bei seinem Gehalt. Nun, er legte sein Geld gut an. Langsam erreichte er den Punkt, an dem er mit den Gewinnen aus seinen Anlagen gut leben könnte.

"Hey Fritz. Also geht es doch am Wochenende."

"Ja."

"Wann soll ich dich abholen?"

"Uh. Ich komme selbst hin."

"Gut. Wann treffen wir uns?"

"Das Spiel beginnt um drei Uhr. Wenn nichts geschieht, sind wir zehn, fünfzehn Minuten später fertig."

"Und wenn doch?"

"Müsstest du auf dem Parkplatz sein. Mit einer Ausrüstung für den Notfall."

"Geht klar."

"Ähem, der Casino-Parkplatz in Konstanz."

Lothar schwieg einige Sekunden. Währenddessen überlegte er, wie er seinen Kumpels helfen könnte, wenn es schiefging. Und wie er das feststellen könnte. "Du musst mir einige Details sagen."

"Hm. â Nimm alles mit für ein großes Picknick. Wir sind ab ein Uhr dreißig auf dem Sportplatz." Wahrscheinlich hörte sie niemand ab, aber warum ein Risiko eingehen?

"Bis später."

"Bis später."

Lothar ließ sein Handy in die Jackettasche gleiten. Dann stieg er in sein Auto und fuhr mit offenem Fenster zu seinem Miethaus. Einem kleinen im Grünen liegenden Haus, etwas außerhalb von Villingen-Schwenningen.

Die Sachen für ein großes Picknick lagen in seiner sich an die Garage anschließenden Werkstatt: Feuerwerkskörper, volle Benzinkanister, ein Ghettoblaster, verschiedene Chemikalien, die sich in verschiedenen Mischungen als Sprengstoff eigneten. Kurz: alles um ein lautes, Aufmerksamkeit erzielendes Ablenkungsmanöver zu veranstalten.

Er holte zwei Taschen, in die er mehrere Feuerwerkskörper, Leuchtraketen und Sprengstoff hineinwarf. Bis jetzt hatte er keine Ahnung, was er alles benötigen könnte. Aber alles, was in Notfall die Aufmerksamkeit von seinen Kumpels ablenken würde, war geeignet. Außerdem hatte er selbst wenig Lust, die Nacht im Polizeigewahrsam zu verbringen. So toll war der Knast in der Konzilstadt nun auch wieder nicht.

Um elf Uhr zog er das Garagentor hinter sich zu und fuhr Richtung Konstanz. Er war nicht müde. Immerhin hatte er heute bis lange nach zwölf Uhr geschlafen.

Um Mitternacht stand Klaus Wieland auf. Zwei Minuten bevor sein Wecker läutete. Der kurze Schlaf hatte ihn erfrischt. Er sprang unter die Dusche, rasierte sich und zog dünne, schwarze Kleider an. Im Keller holte er vier Berettas 92 FS aus dem Schrank. Bei einer Hausdurchsuchung könnte es Probleme wegen der Pistolen geben. Keine war auf ihn registriert. Keine hatte er legal erworben. Aber, warum sollte die Polizei bei einem ganz normalen Wissenschaftler die Wohnung und den Keller eines Mietshauses durchsuchen?

Normalerweise lagen die Berettas versteckt im Keller der Uni. Er hatte sie nach ihrer Besprechung mitgenommen. Schöne Waffen. Beeindruckende Waffen. Er hatte sie zuerst in Action-Filmen gesehen. Sie hatten ihm gefallen. Schwarz. Bedrohlich. Groß. Aber immer noch handlich.

Sorgfältig legte er sie nebeneinander auf die Werkbank. Er nahm sie auseinander, ölte sie, und setzte sie wieder zusammen. Keine Probleme. Danach verpackte er die vier Pistolen sorgfältig und legte sie in eine Sporttasche, die er über seine Schulter warf. Er löschte das Licht im Keller, schob sein Fahrrad raus, machte das Licht an und fuhr durch Egg die wenigen Meter zum Uni-Sportgelände.

"Feierabend.", sagte die junge Bedienung im Kula und machte die Musik aus. In der Woche hatte er keine Lust auf lange Sessions mit den Gästen am Tresen. Außerdem mussten sie die Sperrstunde einhalten. Zehn Minuten vor eins war eine gute Zeit für den Ausputz.

"Na, dann müssen wir gehen.", sagte Fritz Haller zu Ünal Oker. Ünal promovierte zwei Türen weiter, zu einem anderen Thema beim gleichen Prof. Mit ähnlichem Erfolg. Gemeinsames Leid und ein ähnlicher Musikgeschmack verbinden.

Sie zahlten und gingen. Ünal in sein Zimmer in der Cherisy-Kaserne, Fritz auf den vor der Kaserne liegenden Parkplatz. Er setzte den Helm auf, startete sein Motorrad und fuhr auf die Wollmatinger Straße. Richtung Universität und dann zum Uni-Sportgelände.

Peter Lade beobachtete mit halb geschlossenen Lidern den LCD-Fernseher. Bilddiagonale weit über 100 Zentimeter. Sogar sein Auto war billiger gewesen. Aber dafür hatte er langsam ein richtiges Kinogefühl in seinem Wohnzimmer. Die Fernbedienung lag vor ihm auf dem Wohnzimmertisch. Als aus den vorderen Boxen die Fanfare ertönte und der n-tv-Nachrichtensprecher ihn zu den Ein-Uhr-Nachrichten begrüßte, erhob er sich und stellte den Fernseher aus. Zeit zu gehen. Er schlurfte auf die Toilette, pinkelte, sprengte sich kaltes Wasser ins Gesicht, schlurfte in sein Schlafzimmer und zog sich dünne, schwarze Kleider an. Auf dem Weg nach draußen schnappte er sich einen schwarzen Rucksack. Sein elektronisches Spielzeug hatte er sofort nach ihrer Besprechung in der Kathedrale geprüft und eingeräumt.

Zehn Minuten später startete er seinen alten VW. Das angemessene Auto für einen schlecht bezahlten Hausmeister. Er würde sogar einige Minuten zu früh am Treffpunkt sein.

Ein Uhr funfundzwanzig.

Langsam vertrieb die Kühle der Nacht die Hitze des Tages. Am See etwas schneller als in der Stadt. Lade parkte sein Auto am äußeren Ende des Parkplatzes. Für eine zufällig vorbeikommende Person war er kaum zu sehen. Kraft war bereits da. Er hatte sein Auto fast genauso gut geparkt. Aber im Gegensatz zu ihm würde er in spätestens einer Stunde wieder weg fahren.

Aus dem Wald näherte sich ein Fahrradscheinwerfer. Klaus Wieland kam. Und von der Straße knatterte ein Motorrad heran. Die Bande war vollständig versammelt und bereit.

Nach einem kurzen Hallo öffnete Lade mit einem Generalschlüssel die Tür zum Sportgelände. Mit sicheren Schritten gingen sie zu den Bodensee schwimmenden Booten. Die Mainau war trotz des zunehmenden Mondes kaum zu sehen. Dicke Wolke verdeckten ihn.

"Ein ideales Wetter.", sagte Haller.

Die anderen stimmten zu.

Peter Lade öffnete die Tür zum Lager. Er holte aus einem Schrank eine kleine Sauerstoffflasche. Sie wurde in den Mund genommen und bot Luft für zehn Minuten. Das musste reichen.

"Willst du auch einen Anzug?"

Haller schüttelte den Kopf. "Nur die Flasche. Oder, gib mir noch eine. Flossen und Gürtel."

"Gut. Reicht das?" Lade hielt zwei Gewichte hoch.

Haller nahm sie. "Ja. Ich will ja nur nicht ständig an das Boot stoßen."

"Wie ist der Plan?", fragte Kraft.

"Schnell rein, schnell raus. Ohne entdeckt zu werden.", antwortete Wieland. "Zuerst holt Fritz die Steine unter dem Boot, danach gehen Fritz und Peter an Bord. Fritz passt auf, während Peter den Safe öffnet und die restlichen Steine und das Gold herausholt. Dann kommen sie wieder zurück zu mir in das Boot und wir fahren hierher zurück."

"Sie sind an Bord?"

"Schlafend. Wenn nicht, müssen wir uns etwas anderes überlegen."

"Wo liegt denn das Schiff?"

"Die Esmeralda liegt in der Mitte vom â hm, vom Ufer aus gesehen â zweiten Steg links."

"Dann kann ich sie kaum sehen."

"Ist egal. Wennâs schief geht, wirst du etwas hören und dann musst du schnell noch mehr Krach machen."

"Hm. Gut. Ich habe da einige Ideen." Lächelnd dachte Kraft an seinen mit verschiedenen Sprengstoffen prall gefüllten Kofferraum.

"Wenn du bis zwanzig nach drei nichts hörst, kannst du wieder einpacken und fahren."

"Ein Signal wäre mir lieber. Falls etwas schief geht."

"Geht nicht. Wir haben nichts dabei.", sagte Wieland. "Außerdem wäre es zu äuffallig."

"Du wirst uns sehen, wenn wir zurück in Richtung Hörnle fahren.", unterbrach Lade das Gespräch.

"Kaum. Aber wenn ich nichts sehe, gebe ich euch bis um halb Zeit."

"Okay.", sagte Wieland.

"Ich bin bereit.", sagte Haller von der Eingangstür. Über seiner linken Schulter hing der Bleigürtel mit einer Tasche für die Diamanten. In seiner linken Hand waren die Sauerstoffflaschen und eine Taucherbrille mit einem Nachtsichtgerät. Niemand würde ihn mit bloßem Auge sehen. In der rechten hielt er die Flossen.

"Also dann." Sie schlugen ihre geballten Fäuste übereinander. Kraft ging zurück zu seinem Auto. Er hatte wenig Zeit. Aber es müsste reichen. Wieland, Haller und Lade schoben eines der Boote ins Wasser. Nachdem sie einige Meter vom Ufer weg waren paddelten sie einige hundert Meter in den Bodensee. Dann startete Wieland den Motor. Langsam fuhren sie an den Konstanzer Ortsteilen Egg, Allmansdorf und Staad vorbei. Wenn sie jemand hörte, war das nicht zu ändern.


Axel Bussmer beim Ausbrüten feinteiliger Straftaten (rein literarischer Natur)
AXEL BUSSMER
iM INTERVIEW


(mit ULrike Duchna, Franka Plaschke und Barbara Keller im AREMA/Moabit
vom 31.07.2007...)


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