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krimirezensionen ab 2003

 

Rolf Bossi
Halbgötter in Schwarz
Eichborn März 2005
ISBN: 3-8218-5609-2
22,90 €

Menetekel Aldijustiz

von Barbara Keller


Fünfzig Jahre Berufspraxis. Staranwalt Rolf Bossi berichtet. Wer erwartete, dass Rolf Bossi seine berühmtesten Fälle - darunter Mandanten wie Romy Schneider, Kindermörder Jürgen Bartsch, Geiselgängster Dieter Degowski, Sänger Vico Torriani, Jazzer Chet Baker - noch einmal aufrollt, wird enttäuscht. In seinem Buch "Halbgötter in Schwarz" will Rolf Bossi ", wie er sagt, den kleinen Leuten" eine Stimme geben. Und statt eine Biografie zu sein, soll dieses Buch die Missstände in der Strafgerichtsbarkeit aufdecken. - Bossi fordert ein veritables Korrektiv für fragwürdige Urteile und 'schwarze Schafe' unter den 'Halbgöttern in Schwarz'.

Ein Staatsanwalt aus Stendal wird aus Missgunst oder Schlamperei seiner Kollegen Opfer eines Justizirrtums. Fälschlich der Vergewaltigung und Körperverletzung angeklagt, gerät er in Untersuchungshaft. Die unprofessionelle Vorverurteilung durch beteiligte Juristen zieht das Verfahren unnötig in die Länge. In der Haft schlägt ein Mithäftling den zu Unrecht Angeklagten zusammen, der daraufhin auf einem Auge erblindet.

Nur die eigene Rechtskenntnis und ein findiger Rechtsbeistand bewahren den jungen Staatsanwalt vor einer mehrjährigen Haftstrafe. Es bleibt ein fader Nachgeschmack und eine Haftentschädigung á 10,53 € den Tag. Aber immerhin: ein Ausgang mit 'Happy End'.

Anders erging es einem arbeitslosen Fliesenleger, Mandanten von Rolf Bossi, der seine Ehefrau bei einem peinlichen Sexspiel tötete. Anfangs durch ein Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, kommt die Sache durch Einspruch der Nebenklage in die Berufung und schließlich vor das Landgericht. Aus einer 'fahrlässigen Tötung' wird 'Totschlag' und schließlich 'Mord'. Das abschließende Urteil der Schwurgerichtskammer - 'lebenslänglich' - verbannt den leichtsinnigen Fliesenleger für den Rest seines Lebens hinter Gitter, da das Gericht die 'besondere Schwere der Schuld' feststellt.

Nun ist guter Rat teuer. Eine Revision hat nur geringe Aussichten. Denn anders als bei Amtsgerichtssachen bleibt dem Verurteilten einzig die Adresse des Bundesgerichtshofes (BGH) als Anrufungsinstanz. Hier kann sein Rechtsbeistand eine Revisionsrüge anbringen. Doch darin geht es jetzt nur noch um Verfahrensfehler, denn ein deutscher Richter irrt nicht in der Beurteilung der Tatsachen.

Warum das so ist und warum auch eine Klage gegen einen deutschen Richter wegen Rechtsbeugung nur ein stumpfes Rechtsmittel ist, dem geht Rolf Bossi, mit einem eleganten, aufschlussreichen Ausflug zur Entstehung der einheitlichen, deutschen Strafprozessordnung 1877 und mit einer kritischen Rückschau auf personelle Kontinuitäten im Justizapparat nach 1945 in seinem Buch kritisch auf den Grund.

Dabei mutet Rolf Bossis Ruf, den Strafverteidigern strafrechtliche Immunität gleich den Bundestagsabgeordneten zuzubilligen, das Verfassungsgericht zur Anrufungsinstanz zu deklarieren, sein Ruf nach der Erweiterung der Revisionsgründe vor dem BGH, nach einer Protokollierungspflicht für Schwurgerichte und seine Forderung nach einem Bundesbeauftragten zur Verhinderung von Justizirrtum anachronistisch an angesichts der aktuellen Rationalisierungstendenzen in den Justizbehörden. - Trotzdem oder gerade deshalb warnt Rolf Bossi vor einer 'Aldijustiz', die mit folgerichtiger Geschäftsmäßigkeit zunehmend auch Unschuldige unerbittlich zermalmen könnte.

Rolf Bossi, geboren 1923 in Karlsruhe, ist der bekannteste Strafverteidiger Deutschlands. In seiner über 50-jährigen Praxis als Rechtsanwalt hat er unzählige, teilweise prominente Fälle vertreten wie z. B. Romy Schneider, Ingrid van Bergen, den Kindermörder Jürgen Bartsch, den Gladbecker Geiselnehmer Dieter Degowski oder DDR-Grenzsoldaten im Mauerschützenprozess. Rolf Bossi lebt in München.


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