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krimirezensionen ab 2003

 

Hannes Schardow
"Operativer Vorgang 'Bankgesellschaft Berlin'"
wolbern 2004
ISBN 3-9808472-1-7
16,80 €

Seifenoper Berliner Bankenaffäre

von Barbara Keller


Im September 2001 wird Lars Oliver Petroll, EDV-Chef der Firma Aubis erhängt im Grunewald aufgefunden. Er gilt als einer der Hauptzeugen im Untreueverfahren zur Berliner Bankenaffäre - Tatsache. Zur gleichen Zeit sitzt "Ossi" Horst Berger im Keller seiner Marzahner Plattenbauwohnung. Aus den konspirativen Sitzungen mit seinem Führungsoffizier Hans sind Selbstgespräche bei Nordhäuser Doppelkorn geworden. Seine Frau Marlies redet nur noch mit ihrem Kanarienvogel. Ein nostalgisches Flashback trägt seine unsicheren Beine in den Grunewald, wo er Petrolls Leiche findet - Fiktion.

Horst Berger, alias IM "Uwe Kellermann", erinnert sich schnapsselig an seine DDR-Flucht mit Freund Wiesner. Wie man ihn im Knast "wendete" und wie auf diese Weise seine Ost-Karriere begann. Im Grunewald war's. Dreilinden. Berger torkelt los. S-Bahn, Wald und dann: die Leiche Petrolls. Schlagartig wird er nüchtern. Als Berger später bemerkt, dass er offenbar sein Feuerzeug am Tatort verloren hat, eröffnet er aus Selbstschutz einen Operativen Vorgang (OV) "Grunewald" und eine KD (Kreisdienststelle) Marzahn.

Mit Bergers Ermittlungen gewinnt der Leser in der Folge nicht nur Einblick in die traurigen Zusammenhänge des Berliner Bankenskandals, sondern auch in die staubige Gedankenwelt gescheiterter DDR-Opportunisten und deren Nachwende-Karrieren. (Auch: Initiative 'Berliner Bankenskandal', Mathew D. Rose, "Eine ehrenwerte Gesellschaft", Transit Buchverlag 2004).

Mit "Operativer Vorgang" ist Hannes Schardow eine kriminelle Sartire über den milliardenschweren Berliner Bankenskandal geglückt. Eine traurige Seifenoper, die noch immer Staatsanwaltschaft, Ermittler, den Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses, vielleicht auch wieder die Kripo beschäftigt. Das Strickmuster: nach dem Fall der Mauer vereinigt sich Fördermentalität Sonderzone Ost- mit Sonderzone West. Wer schon erkleckliches auf der hohen Kante und über entsprechende Kontakte verfügte, beziehungsweise über das hiesige Politgeflecht gerade im Karrierekarussel am Sprungziel Aufsichtsrat oder Vorstand eines Unternehmens angelangt war, dem öffnete die landeseigene LBB eine bunte Geschenkewelt in sechstelliger Ziffernhöhe.

Viele namhafte Berliner ließen sich nicht lumpen. Dass die milliardenschwere Rechnung heute der gemeine Steuerzahler begleicht, erzeugt bei nur bei wenigen Beteiligten ein Gefühl der Scham. Wiederholt zu erleben auf Anhörungen vor dem Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses oder auch bei den derzeit laufenden Gerichtsverhandlungen vor Berliner Strafkammern (Gerichtsbericht auch bei 'berlinkriminell'). Kein Wunder, dass Stasi Horst Berger, alias IM "Uwe Kellermann", die Westberliner Selbstbediener für IM-Kollegen hält, die die kapitalistische Finanzoligarchie zu stürzen hoffen zugunsten eines "Restsozialismus".

Ex-IM Berger macht während seiner Untersuchungen zur Bankgesellschaft Berlin einiges mit. Schlaganfall, Inkontinenz, Trennung, Anfechtungen der Weltanschauung. Schließlich findet auch Horst Berger, 14 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, einen Platz in der neuen Gesellschaft.


Unterm Strich: der angebliche Selbstmord Lars Oliver Petrolls (39) war erst kürzlich wieder in den Schlagzeilen. Der EDV-Spezi, vertraut mit den komplexen Fondsgeschäften der Firma Aubis (kaufte en Gros marode Ostplattenbauten auf) und der LBB, soll angeblich eine Erpressung versucht haben. Warum der "innovative" Computerfachmann dann erhängt im Grunewald gefunden wurde, fragt sich nicht nur der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses, das Erkenntnisse seiner Befragungen mit Bitte um Bearbeitung im April dieses Jahres an die Staatsanwaltschaft weiterleitete.



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